Arbeiten ohne Chef – ein Erfahrungsbericht

Interview mit Elisa Naranjo zum Thema Arbeiten ohne Chef und „Reinventing Organizations“

Elisa Naranjo



Elisa ist Head of Fairstainability bei EINHORN Kondome
Sie nimmt teil an unserem Workshop „Reinventing Consulting“ vom 19.-20. Juni 2017 in Berlin (mehr erfahren)

Elisa, was macht eure Arbeitsweise besonders bzw. wie unterscheidet sie sich von hierarchisch geführten Unternehmen?

Wir versuchen unsere Berufe so zu gestalten, wie wir persönlich sie uns vorstellen, und so, dass wir viel Spaß bei der Arbeit haben. Das bedeutet vor allem, dass wir die Freiheit haben zu spielen, wenn wir es für nötig halten und selbstverantwortlich handeln können. Dabei ist es uns sehr wichtig, immer auf Augenhöhe miteinander zu kommunizieren.

Ich sehe diese Art der Zusammenarbeit ein Stück weit als natürlichen Prozess an und vergleiche das gerne mit dem Planen eines Junggesellenabschieds im Freundeskreis. Jeder bringt sich ein, übernimmt die Aufgaben, die einen ansprechen und es wird offen kommuniziert, wenn man auf eine der Aufgaben absolut keine Lust hat.

Das heißt auch, dass wenn man das Bedürfnis nach einem ruhigen Ort oder einer Pause hat, diesem Gefühl gerne nachgehen darf. Jeder sollte sich seinen Rahmen so gestalten dürfen, wie er am besten arbeiten kann und alle Aufgaben schafft. In meinem Team ist es zum Beispiel so, dass wir uns für Strategie-Meetings auch bei mir Zuhause oder im Park treffen oder mal gemeinsam Floß fahren gehen.

Ich bin der Meinung, dass es keine strenge Trennung zwischen Spaß und Arbeit geben darf, sondern dass auch beides vereint sehr gut funktionieren kann. Das heißt natürlich nicht, dass es nicht auch mal Aufgaben gibt, die weniger Spaß machen oder dass wir die Woche lieber mögen als die Wochenenden. Aber wir versuchen eben beides unter einen Hut zu bekommen.

Es gibt bei uns zum Beispiel den sogenannten „Null-Bock-Tag“. Jeder kennt solche Tage, an denen man sich einfach nur nach Bett und Netflix fühlt. Und auch das ist mal okay. Es gibt eigentlich kaum Regeln, was die Arbeitszeiten angeht. Manche von uns arbeiten die ersten paar Stunden aus dem Homeoffice und kommen dann, andere arbeiten frühmorgens und spätabends, so dass sie Zeit für ihre Kinder haben und wieder andere fangen ihren Tag um 09:00 Uhr an.

Das alles erfordert natürlich eine Menge Koordination, Kommunikation und Vertrauen, aber bisher läuft es gut, weil alle Interesse daran haben, dass es funktioniert.

Auf welche Schwierigkeiten seid ihr auf dem Weg zu einem Teal-Unternehmen gestoßen? Welchen Herausforderungen musstet ihr euch stellen oder seid an Grenzen gestoßen?

Generell würde ich sagen, dass diese Art von Unternehmensführung ein sich ständig weiterentwickelnder Prozess ist. Selbst das Buch „Reinventing Organizations“ von Laloux hat noch nicht auf alle Fragen eine Antwort und deshalb gerät man oft in Situationen, in denen man sich Lösungen in langen und auch anstrengenden Diskussionen erarbeiten muss.

Dadurch dass wir keine Hierarchien haben, sagt zum Beispiel niemand „genau so machen wir das“ oder „so ist das richtig“ sondern wir müssen immer wieder neu ausprobieren und durchdenken. Da kommt es schon mal vor, dass man sich wünsch jemand würde einem sagen wo es lang geht.

Es gibt immer noch viele Dinge, die nicht perfekt laufen, obwohl schon wir schon viel versucht haben. Ich würde also nicht sagen, dass alles optimal ist und wir unser Zeil erreicht haben. Wir entwickeln uns stetig weiter und es liegt an jedem einzelnen daran mitzuarbeiten.

Hast du da einen guten Tipp, oder gibt es ein Geheimrezept dafür, wie die Vision eines Teal-Unternehmens umgesetzt werden kann?

Ich bin der Meinung, dass eigentlich alles auf Kommunikation und Vertrauen aufbaut. Jeder sollte sich in der Position fühlen, wirklich sagen zu können was er oder sie will oder was man doof findet. Im Gegenzug ist es dann genauso wichtig, dass das Gegenüber keine Defensivstellung einnimmt oder sich einigelt. Jeder sollte deutlich machen, warum er welche Standpunkte vertritt.

Außerdem ist es wichtig, sich sicher sein zu können, dass niemand eine versteckte Agenda verfolgt, und dass auch wenn man andere Ansätze hat, der gleichen Vision folgt. Wir wissen zum Beispiel ganz sicher, dass die Gründer uns als Mitarbeiter nicht ausbeuten wollen, und genauso wissen sie, dass wir die vielen Freiheiten und Möglichkeiten nie ausnutzen würden.

Wie tragt ihr eure Vorstellungen und Werte ins Unternehmen bzw. an eure Mitarbeiter? Gibt es da bestimmte Vorgehensweisen oder Maßnahmen?

Da wir bisher nie auf einen Schlag gewachsen sind, hat der Integrationsprozess bis jetzt ohne besondere Regelungen sehr gut geklappt. Bis vor einem Jahr waren wir ungefähr zu zehnt und man konnte relativ einfach über den Tisch kommunizieren, also waren solche Vorgehensweisen einfach nicht nötig.

Allerdings arbeiten wir gerade an einer Art Verfassung, in der festgehalten werden soll, wie wir mit bestimmten Situationen umgehen. Inzwischen sind wir 17 Leute und merken hin und wieder, dass gewisse Dinge definiert und klar formuliert werden müssen. Doch auch hier stellen wir fest, dass sämtliche Literatur oder die vielen gut durchdachten Konzepte noch keine Antworten auf alle unsere Fragen gefunden haben. Wir sind aber sehr positiv gestimmt, dass wir unseren eigenen Weg finden werden, diese Herausforderungen anzugehen.

Kannst du mir den den typischen Ablauf eines Entscheidungsprozesses bei euch erklären?

Der ist immer ganz unterschiedlich. Einen wirklich festen Prozess gibt es noch nicht. Doch wir arbeiten gerade daran, verschiedene Richtlinien zu entwickeln, so dass dann den Situationen entsprechend eine der Methoden gewählt werden kann.

Zur Zeit arbeiten wir zum Beispiel an einer neuen Verpackung, die sowohl toll aussehen als auch umweltverträglich sein soll. In so einem Fall ist es sinnvoller, wenn alle zusammenarbeiten und gemeinsam eine Entscheidung treffen. Dann gibt es aber auch Fälle, in denen eine einzelne Person nach bestem Wissen und Gewissen entscheiden sollte. Ich denke, sich für einen Standardprozess zu entscheiden ist weniger sinnvoll, da sowohl der Konsens, der Konsent als auch eine Entscheidung im Alleingang je nach Situation angebracht sein kann.

Danke Elisa!

Interview: Pauline Schneider

Siehe auch: Workshop »Reinventing Consulting« | Die Lab Philosophie | Kontakt

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